Verantwortliche für das Gesundheitsmanagement unterhalten sich im Treppenhaus

Gesundheitswesen in den Koalitionsverhandlungen

Änderungen am Gesundheitswesen sind dringend notwendig. Für die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD wurden daher insgesamt 16 Arbeitsgruppen mit je 16 Mitgliedern gebildet - insgesamt 256 Politikerinnen und Politiker. Die Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ wird von Karl-Josef Laumann (CDU) und Katja Pähle (SPD) geleitet. Unterstützt werden sie unter anderem von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie weiteren Fachpolitikerinnen und -politikern aus Bund und Ländern. Die Verhandlungen starteten am 13. März in Berlin und dauerten rund zehn Tage. Eine übergreifende Steuerungsgruppe soll die Arbeit der einzelnen AGs koordinieren.

Die Ausgangslage: Krankenhäuser fordern dringende Maßnahmen

Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) haben Entbürokratisierung und ein sofortiger Inflationsausgleich für 95 % der Krankenhäuser oberste Priorität. Die wirtschaftliche Lage bleibt kritisch: Zwei Drittel der Krankenhäuser der Allgemeinversorgung bewerten ihre Situation als schlecht oder sehr schlecht, nur 10 % sehen sich gut aufgestellt. Viele befürchten Personalabbau (37 %) oder Leistungskürzungen (27 %).

Die Kliniken kritisieren, dass die Krankenkassenvergütung die Versorgungskosten nicht deckt, und fordern von der Bundesregierung schnelles Handeln.

Weitere zentrale Forderungen:

  • Anpassung der geplanten Leistungsgruppenorganisation
  • Mehr Gestaltungsspielraum für Bundesländer
  • Aussetzen der geplanten Vorhaltefinanzierung zugunsten eines besseren Modells

Krankenhausreform und Transformationsfonds:

Ein Drittel der Kliniken plant Anträge beim 50-Milliarden-Euro-Transformationsfonds. Im Fokus stehen:

  • Standortübergreifende Konzentration von Kliniken (62 %)
  • Aufbau integrierter Notfallzentren (45 %)
  • Ausbau telemedizinischer Netzwerke (43 %)

Regionale Kooperationen nehmen zu: 59 % der Kliniken haben bereits Gespräche zur Leistungsgruppenplanung mit Nachbarhäusern geführt. 79 % planen Kooperationen, 80 % setzen dabei auf Telemedizin.

Koalitionsverhandlungen: Pläne der Union und SPD

Die Union und SPD haben im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen umfangreiche Pläne für tiefgreifende Reformen im Gesundheitswesen vorgestellt. Nach anderthalb wöchigen Beratungen legte die 16-köpfige Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege ein elfseitiges Ergebnispapier vor. Ziel ist eine umfassende strukturelle Neuausrichtung des Gesundheitswesens, wobei über einige strittige Punkte noch auf höherer Ebene entschieden werden muss.

Im Fokus stehen unter anderem die Stabilisierung der GKV-Beiträge, ein besserer Zugang zu Arztterminen, verbesserte Arbeitsbedingungen für Beschäftigte sowie die Stärkung der Krisenresilienz des Gesundheitssystems. Die ambulante Versorgung soll durch ein neues Primärarztsystem und eine mögliche Entbudgetierung für Fachärzte reformiert werden. Im stationären Bereich streben Union und SPD eine bedarfsgerechte Krankenhauslandschaft an. Die Krankenhausreform der letzten Legislatur soll fortgeführt, die Vorhaltevergütung ab 2028 eingeführt und der ländliche Raum stärker berücksichtigt werden. Künftig sollen mehr Krankenhäuser von Reformvorgaben ausgenommen werden, außerdem soll die Vollzeitdefinition für Ärzte von 40 auf 38,5 Stunden reduziert werden.

Zur Finanzierung sind hohe Summen vorgesehen: So sollen beispielsweise vier Milliarden Euro an Steuermitteln genutzt werden, um Betriebskostenlücken von Kliniken aus den Jahren 2022 und 2023 zu schließen. Zudem sollen jährlich ab 2026 rund 4,2 Milliarden Euro aus einem neuen Sondervermögen für energetische Sanierungen, Digitalisierung und Resilienzmaßnahmen in Kliniken fließen.

Ein zentrales Projekt ist die Digitalisierung des Gesundheitswesens: Die elektronische Patientenakte soll ab 2025 schrittweise und verpflichtend eingeführt werden. Auch Telemedizin, Videosprechstunden und ein besserer digitaler Austausch sollen gefördert werden. Dabei wird die Gematik zu einer modernen Digitalagentur ausgebaut. Bürokratie soll durch ein Entlastungsgesetz reduziert, Dokumentationspflichten gesenkt und KI-gestützte Pflegedokumentation eingeführt werden.

Auch für die Pflege sind tiefgreifende Reformen geplant. Innerhalb von 100 Tagen sollen Gesetzesinitiativen zur Pflegekompetenz und zur Rolle der „Advanced Practice Nurse“ eingebracht werden. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll innerhalb von sechs Monaten Vorschläge für eine Strukturreform erarbeiten. Die Finanzierung der Pflegeversicherung soll unter anderem durch Steuerzuschüsse gestärkt werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Finanzierung der Pflege möglicherweise mit anderen Vorhaben konkurriert.

Für die Prävention werden neue Maßnahmen angestrebt, insbesondere für Kinder und Jugendliche. U-Untersuchungen sollen erweitert und neue Regelungen zur Abgabe von Lachgas und KO-Tropfen eingeführt werden. Auch eine verstärkte Suizidprävention und niedrigschwellige psychotherapeutische Angebote sind geplant.

Die Gesundheitsforschung soll ausgebaut und Deutschland zu einem führenden Standort für klinische Studien gemacht werden. Der Zugang zu Daten soll durch ein Registergesetz erleichtert werden. Auch Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Long COVID und Naturheilkunde werden aufgegriffen.

International will Deutschland die WHO stärker unterstützen und jährlich 250 Millionen Euro zusätzlich beitragen. Gleichzeitig soll mehr deutsche Gesundheitsexpertise in internationale Organisationen eingebracht werden.

Nicht zuletzt betont das Papier die Aufwertung der Gesundheitsberufe durch bessere Arbeitsbedingungen, eine faire Vergütung im Praktischen Jahr und die Stärkung der Selbstverwaltung, etwa durch mehr Einfluss im Gemeinsamen Bundesausschuss. Noch offen sind allerdings die Aufarbeitung der Coronapandemie und gesundheitliche Belange der queeren Community.

Verhaltenes Echo auf Ergebnisse der Arbeitsgruppe Gesundheit

Die gesundheitspolitischen Ergebnisse der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege im Rahmen der Koalitionsgespräche stoßen auf ein insgesamt verhaltenes Echo und vielfältige Reaktionen aus dem Gesundheitswesen. Grundsätzlich erkennen viele Akteure positive Ansätze, insbesondere im Bereich der Patientensteuerung, der Entbudgetierung unter bestimmten Voraussetzungen und der Notfallreform. Doch es bestehen erhebliche Zweifel an der konkreten Umsetzung, der Finanzierung und der tatsächlichen Verankerung im Koalitionsvertrag.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt sich bereit zur Zusammenarbeit, begrüßt die geplanten Maßnahmen, kritisiert jedoch die Auswahl von Parametern wie die Versorgungsgrade. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sieht gute Ansätze, vermisst aber wesentliche Zukunftsthemen wie den Klimaschutz im Gesundheitswesen. Mehrere Stimmen - darunter das Centre for Planetary Health Policy und die Allianz Klimawandel und Gesundheit - fordern die neue Bundesregierung auf, Gesundheits- und Klimaschutz stärker miteinander zu verknüpfen.

Zentrale Herausforderungen sieht ein Großteil der Kommentierenden in der Finanzierung. Es herrscht große Skepsis, ob die angedachten Maßnahmen unter den aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen überhaupt realisiert werden können. Die Entbudgetierung im fachärztlichen Bereich wird von einigen, etwa dem Spifa, scharf kritisiert, insbesondere wenn sie sich nur auf unterversorgte Gebiete bezieht und damit die Privatmedizin befeuern könnte. Auch ein differenziertes Primärarztsystem wird kontrovers diskutiert - bei aller grundsätzlichen Zustimmung warnen viele vor Überlastung und fehlender Praxistauglichkeit.

Einigkeit herrscht hingegen in der Forderung nach einem Bürokratieabbau, der wirtschaftlichen Stärkung von Apotheken, der Weiterentwicklung präventionsorientierter Versorgungsformen und einer umfassenden Notfallreform. Besonders die Betriebskostenlücke der Krankenhäuser und die vorgesehene Einmalzahlung über vier Milliarden Euro stoßen auf Zustimmung - allerdings wird die fehlende Nachhaltigkeit dieses Schritts kritisiert. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) befürwortet zudem mehr Spielraum für Länder, die Rückkehr zum NRW-Modell sowie neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Kliniken.

Finanzierung bleibt jedoch das zentrale Problem: Viele Akteure - vom AOK-Bundesverband über die IKK bis zur PKV - fordern, versicherungsfremde Leistungen vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren, und sehen ein massives Ungleichgewicht zwischen steigenden Ausgaben und stabil bleibenden Einnahmen. Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands fordert ein Ausgabenmoratorium, um Beitragssatzstabilität zu gewährleisten. Auch mahnen viele Beteiligte eine realistische Einschätzung der Finanzierungsmöglichkeiten an und warnen vor “leeren Versprechungen”.

Kritik wird zudem an fehlenden Elementen im AG-Papier geäußert, etwa zur ärztlichen Weiterbildung oder zur nachhaltigen strukturellen Reform der Ausgabenentwicklung. Das Bündnis DANK fordert eine konsequente Präventionspolitik, insbesondere zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, und mahnt verbindliche gesetzgeberische Maßnahmen an.

Insgesamt wird deutlich: Die gesundheitspolitischen Ergebnisse der Koalitionsgespräche enthalten vielversprechende Ansätze, bleiben aber in vielen Punkten vage, unterfinanziert oder unzureichend konkretisiert. Die Umsetzung, Ausgestaltung und finanzielle Absicherung der Vorhaben werden entscheidend sein - ebenso wie die Bereitschaft der neuen Bundesregierung, auch unbequeme, aber notwendige Reformen konsequent anzugehen.

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