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Mindestmengen-Transparenzkarte: So soll die Versorgungsqualität verbessert werden

Mit der Krankenhausreform beginnt ein umfassender Umbau der Krankenhauslandschaft in Deutschland. Ziel der Reform ist es, die Qualität komplexer Behandlungen zu verbessern, indem spezialisierte Standorte gestärkt werden. Ein zentrales Instrument dabei sind verbindliche Mindestmengenregelungen, die dafür sorgen sollen, dass anspruchsvolle Eingriffe nur dort durchgeführt werden, wo ausreichend Routine vorhanden ist. 

Die neue Mindestmengen-Transparenzkarte 2026 der AOK macht deutlich, wie stark dieser Wandel bereits wirkt. Zahlreiche komplexe Eingriffe konzentrieren sich zunehmend auf spezialisierte Kliniken, etwa Operationen an der Bauchspeicheldrüse oder am Knie. Das führt zu mehr Spezialisierung, aber auch zu einer spürbaren Neuverteilung von Versorgungsaufträgen zwischen den Häusern. 

Besonders deutlich wird diese Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, wo die Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen bereits weit fortgeschritten ist. Hier dürfen 55 der 71 Standorte künftig keine Kniegelenk-Implantationen mehr anbieten . Gleichzeitig zeigt sich: Mit der stärkeren Qualitätsorientierung wächst auch die Sorge vor Versorgungslücken in der Fläche.

Weniger Standorte für komplexe Eingriffe

Besonders deutlich werden die Auswirkungen der Mindestmengen-Transparenzkarte 2026 bei Operationen an der Bauchspeicheldrüse: Während im Jahr 2023 noch 405 Krankenhausstandorte an der Versorgung beteiligt waren, werden es 2026 nur noch 286 sein – ein Rückgang um knapp ein Drittel. Hintergrund ist die Anhebung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten Mindestmenge für Pankreas-Operationen von 15 auf 20 Eingriffe pro Jahr. Kliniken, die diese Fallzahlen nicht erreichen, verlieren künftig ihre Berechtigung, die Eingriffe durchzuführen. Für Patient:innen bedeutet das in vielen Fällen längere Wege, dafür jedoch eine höhere Behandlungsqualität.

AOK-Bundesverbandschefin Carola Reimann bewertet die Entwicklung positiv: Komplexe Operationen wie die am Pankreas erfordern “hohe fachliche Anforderungen” sowie “eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team”. Somit sei es positiv zu beurteilen, dass es zu “einer Konzentration der Versorgung an weniger Standorten mit ausreichend Routine und Erfahrung” führe.

Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch bei anderen Eingriffen. Bei den Kniegelenk-Totalendoprothesen etwa sinkt die Zahl der beteiligten Standorte von 892 auf 821, was einen Rückgang um acht Prozent bedeutet. Auch für Herztransplantationen gilt ab 2026 erstmals eine Mindestmenge: Nur Kliniken, die jährlich mindestens zehn Eingriffe nachweisen, dürfen die Operationen durchführen. Bundesweit erfüllen derzeit 14 Krankenhausstandorte diese Vorgabe. Bei der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Gewicht unter 1.250 Gramm wurde die Mindestmenge bereits 2024 von 20 auf 25 Geburten angehoben. 2026 scheiden infolgedessen sechs Standorte aus der Versorgung aus. Damit verbleiben bundesweit 140 spezialisierte Zentren für die Betreuung dieser besonders vulnerablen Patient:innengruppe.

Weitere Anpassungen betreffen Brustkrebsoperationen (100 Fälle pro Jahr), thoraxchirurgische Eingriffe bei Lungenkrebs (75 Fälle) und Stammzelltransplantationen (40 Fälle). 

Während viele Leistungsbereiche künftig an weniger Standorten konzentriert werden, zeigt sich bei einzelnen Indikationen auch eine gegenläufige Tendenz. So steigt etwa die Zahl der Kliniken, die Operationen an der Speiseröhre (Ösophagus) durchführen dürfen, leicht von 107 auf 111 – ein Plus von rund vier Prozent.

Die Mindestmengen-Transparenzkarte 2026 listet insgesamt 1.006 Krankenhausstandorte, die Operationen mit hohen Risiken durchführen dürfen, im Vergleich zu 1.201 Standorten im Jahr 2019. 

Die stärkere Bündelung von Leistungen folgt einer klaren Logik: Wo komplexe Eingriffe regelmäßig durchgeführt werden, verbessert sich die Behandlungsqualität messbar. Studien zeigen, dass Patient:innen in Kliniken mit höheren Fallzahlen bessere Überlebenschancen haben. Genau darauf zielt die Mindestmengenregelung ab: anspruchsvolle Eingriffe sollen dort stattfinden, wo Erfahrung, Ausstattung und interdisziplinäre Expertise vorhanden sind.

Sparmaßnahmen verschärfen den Reformdruck

Die Krankenhausreform steht dabei nicht nur für Strukturveränderungen, sondern zunehmend auch für finanzielle Spannungen im System. Während sich Leistungen an spezialisierten Zentren konzentrieren, geraten viele Kliniken wirtschaftlich unter Druck. Der jüngste Sparkurs der Bundesregierung verschärft diese Entwicklung.

Mit dem Anfang November beschlossenen Sparpaket von rund zwei Milliarden Euro will das Bundesgesundheitsministerium eine drohende Beitragserhöhung in der gesetzlichen Krankenversicherung abwenden. Der größte Teil der Einsparungen, rund 1,8 Milliarden Euro, soll durch eine Begrenzung der Vergütungssteigerungen für Kliniken erreicht werden. Für viele Häuser bedeutet das: weniger finanzielle Spielräume in einer Phase, in der sie ohnehin mit steigenden Kosten für Personal, Energie und Material kämpfen.

Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), findet klare Worte: „Das ist, als würden hoch verschuldete Arbeitnehmer erst 10.000 Euro Extrazahlung erhalten und danach dauerhaft auf 5000 Euro Gehalt verzichten müssen“. Nach Berechnungen der KGNW entsteht für die rund 300 nordrhein-westfälischen Kliniken ein jährliches Defizit von etwa 377 Millionen Euro.

Viele Kliniken sehen sich zwischen Reformdruck und Finanzierungslücken gefangen: Auf der einen Seite sollen sie Strukturen umbauen, auf der anderen Seite müssen sie mit gedeckelten Budgets wirtschaften. Der Präsident des Bayerischen Landkreistages, Thomas Karmasin (CSU), fordert die Abgeordneten auf, den Kabinettsbeschluss zu stoppen. Er betont, dass das Sparpaket nicht “auf dem Rücken der Krankenhäuser ausgetragen werden” dürfe. 

Die geplante Budgetbegrenzung widerspricht nach Einschätzung des Bayerischen Landkreistages den Zusagen der Bundesregierung, die Kliniken für die Jahre 2022 und 2023 vollständig für die Inflation zu entschädigen. Dieser Ausgleich, im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart, sollte ursprünglich sicherstellen, dass die Häuser finanziell stabil bleiben, bis die Krankenhausreform ihre Wirkung entfaltet.

Die Krankenhausreform steht für einen tiefgreifenden Wandel, der Qualität sichern und Strukturen zukunftsfähig machen soll, doch sie fordert den Einrichtungen zugleich mehr ab als je zuvor. Die Konzentration auf spezialisierte Standorte ist ein Schritt hin zu besserer Versorgung, bringt aber auch neue Herausforderungen für Regionen und Häuser mit begrenzten Ressourcen. Ob die Krankenhausreform tatsächlich zu einer stabileren, qualitätsorientierten Versorgungslandschaft führt, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

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