
Die Krankenhausfinanzierung steht in Deutschland zunehmend unter Spannung. Steigende Kosten, anhaltender Personalmangel und politische Sparvorgaben stellen Kliniken vor enorme Herausforderungen. Während die Bundesregierung auf Haushaltsdisziplin setzt, warnen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Gesundheitswesen vor einem Vertrauensverlust in das System.
Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), findet dabei klare Worte: „Sparvorschläge werden begrüßt, wenn sie die anderen betreffen.“ Doch das, was auf das System zukomme, werde „egal wie wir es machen, Konflikte und verteilungspolitische Debatten auslösen“. Statt Schuldzuweisungen brauche es Lösungen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Sozialstaat erhalten. Denn nur wenn Menschen das Gefühl haben, dass das Gesundheitswesen funktioniert, wächst ihr Vertrauen in den Staat, die Gesellschaft und die demokratische Ordnung.
Aus Heckens Sicht liegt die zentrale Schwachstelle im System in der falschen Mittelverwendung. Der Staat finanziere zunehmend „gesamtgesellschaftliche Aufgaben und Fürsorgelasten“ aus den Töpfen der gesetzlichen Krankenversicherung, etwa Leistungen für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger. Diese sogenannten versicherungsfremden Leistungen belasteten die Krankenkassen in Milliardenhöhe. Ihm zufolge fehlen dem Gesundheitssystem derzeit rund zehn Milliarden Euro, weil es versicherungsfremde Leistungen ausgleichen muss. Dabei handelt es sich um Mittel, die nach seiner Einschätzung dringend in die Versorgung fließen sollten.
Die von mehreren Krankenkassen eingereichte Klage gegen diese Praxis wertet Hecken nicht als Angriff auf das Bundesgesundheitsministerium, sondern als „Ultima Ratio“. Weitere Bittgänge an das Finanzministerium würden „mit Sicherheit keinen Erfolg“ haben. Eine gerichtliche Klärung sei daher notwendig, um die „buchhalterischen Tricks“ zu beenden.
Neben langfristigen Reformen fordert Hecken auch kurzfristige Entlastungen. So regte er an, den Mehrwertsteuersatz auf Humanarzneimittel zu senken. Während Zucker oder Pralinen mit sieben Prozent besteuert würden, gelte für Medikamente weiterhin der volle Satz von 19 Prozent. Für ihn stellt dies eine ordnungspolitische Schieflage dar. Auch beim Konsum von Tabak und Spirituosen hält Hecken höhere Steuern für gerechtfertigt, wenn die Mehreinnahmen direkt in das Gesundheitssystem fließen.
Wie unterschiedlich finanzielle Unterstützung im Gesundheitswesen verteilt sein kann, zeigt ein Blick nach Köln: Hier sorgt die städtische Förderpraxis für Unmut.
Zehn freigemeinnützige Krankenhäuser der Stadt haben sich zur Initiative „Fair ist gesund“ zusammengeschlossen, um auf eine einseitige Förderung kommunaler Häuser aufmerksam zu machen.
Nach Angaben des Zusammenschlusses übernehmen die beteiligten Häuser einen erheblichen Anteil der medizinischen Versorgung in Köln – mehr als die Hälfte aller stationären Behandlungen, über jede zweite Geburt und nahezu die gesamte geriatrische Versorgung. Auch in der Notfallmedizin spielen sie eine zentrale Rolle: Sechs von zehn Notfällen werden in diesen Einrichtungen behandelt. Dennoch erhalten sie bislang keine finanzielle Unterstützung aus dem städtischen Haushalt.
Die Stadt Köln fördert ausschließlich die Kliniken der Stadt Köln gGmbH – mit erheblichen Mitteln: Zwischen 2015 und 2023 flossen Hilfen in Millionenhöhe, darunter Gesellschafterdarlehen, die Ende 2024 in Eigenkapital umgewandelt wurden. Der Schuldenschnitt allein hatte ein Volumen von 533,2 Millionen Euro. Hinzu kommen jährliche Betriebskostenzuschüsse von 67,2 Millionen Euro (2023), 73,3 Millionen Euro (2024) und 76,6 Millionen Euro (2025).
Die Initiative fordert von der Stadt Köln faire, transparente und trägerunabhängige Finanzierungsbedingungen. „Die Stadt Köln sollte ein Interesse daran haben, alle Krankenhäuser in Köln gleichermaßen zu unterstützen, um ihrem Auftrag zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Kölner Bevölkerung nachzukommen“, betont Gunnar Schneider, Vorstand der Stiftung der Cellitinnen.
Auch Stephan Prinz, Vorstand der Josefs-Gesellschaft, kritisiert die einseitige Praxis: “Wir leisten dieselbe Arbeit, aber werden in Köln benachteiligt. Das muss sich ändern.“ Die beteiligten Häuser, darunter die sieben Krankenhäuser der Hospitalvereinigung der Cellitinnen, das Eduardus-Krankenhaus Köln-Deutz, das Evangelische Krankenhaus Köln-Kalk und das St. Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind, schlagen einen „Runden Tisch Krankenhausfinanzierung“ vor. Ziel sei ein stadtweites Versorgungskonzept, das die Rolle der freigemeinnützigen Träger klar anerkennt und ihren Beitrag zur öffentlichen Gesundheitsversorgung absichert.
In ihrem Politikbrief an die Entscheidungsträger:innen fordern die Kliniken,
Ob auf Bundes- oder kommunaler Ebene: Die Debatte über die Krankenhausfinanzierung zeigt, wie eng Vertrauen, Gerechtigkeit und Versorgungssicherheit miteinander verknüpft sind.
Was Josef Hecken auf nationaler Ebene fordert – Transparenz, Verantwortung und eine ehrliche Debatte über Mittelverwendung – spiegelt sich im Kölner Beispiel im Kleinen wider. Denn wenn öffentliche Gelder ungleich verteilt werden, drohen nicht nur Wettbewerbsnachteile, sondern auch Vertrauensverluste in das Gesundheitssystem selbst. Eine nachhaltige Krankenhausfinanzierung bedeutet daher mehr als nur Kostendeckung: Sie ist Voraussetzung für Planungssicherheit und Versorgungsgerechtigkeit. Oder, wie es die Kölner Initiative formuliert: „Gute Versorgung braucht faire Bedingungen.“
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