Apotheker erläutert die Nebenwirkungen eines Medikamentes

Primärarztsystem im Koalitionsvertrag: Zustimmung, Kritik und offene Fragen

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD wird in der Ärzteschaft insgesamt als Schritt in die richtige Richtung bewertet, stößt aber auch auf deutliche Kritik. Vor allem das geplante Primärarztsystem ist zentraler Diskussionspunkt. Die Bundesärztekammer begrüßt die Zielrichtung des Vertrags und hebt insbesondere Vorhaben wie die Notfallreform, Entbürokratisierung, Krankenhausreform und die Förderung der Prävention hervor. Präsident Klaus Reinhardt betont jedoch, dass es auf die konkrete Umsetzung ankomme und fordert mehr Einbindung des fachlichen Sachverstands aus der Praxis.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht positive Ansätze, insbesondere für die ambulante Versorgung. Ihr Vorsitzender Andreas Gassen warnt jedoch davor, auf bloße Absichtserklärungen zu setzen und fordert echten Dialog mit der Ärzteschaft. Er begrüßt die geplante Entbudgetierung in unterversorgten Gebieten, lehnt aber Honorarabzüge in vermeintlich überversorgten Regionen ab, da diese oft nicht die Realität widerspiegeln.

Primärarztsystem - positive Stimmen, kritische Aspekte

Die Hausärztinnen- und Hausärzteverbände sehen im verbindlichen Primärarztsystem ein geeignetes Instrument zur besseren Koordination und Effizienzsteigerung. Sie verweisen auf die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) als erprobtes Modell. Allerdings werfen sie den Kassenärztlichen Vereinigungen vor, bislang keine überzeugende Reformidee für ein Primärarztsystem vorgelegt zu haben. Auch Kinder- und Jugendärzte befürworten das Modell - sofern die freie Arztwahl erhalten bleibt. Kritisch äußert sich hingegen das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk, das den freien Zugang zur Psychotherapie durch die geplante Hausarztbindung gefährdet sieht.

Gesundheitsökonomisch gilt das Primärarztsystem als sinnvoll - vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und begrenzter personeller Ressourcen soll es unnötige Arztkontakte vermeiden, Versorgung besser steuern und Fachärzt:innen entlasten. Dabei müssten jedoch strukturelle Schwächen, wie fehlende Hausarztnachfolger und Versorgungsprobleme in ländlichen Regionen, berücksichtigt werden. Eine reine Fokussierung auf Hausärzt:innen reiche nicht aus; auch neue Versorgungsmodelle, Case-Management, digitale Lösungen und Gesundheitsfachberufe sollten eingebunden werden. Diskutiert wird auch, ob Patient:innen, die sich in der Versorgung steuern lassen, von alternativen Versicherungstarifen profitieren könnten - allerdings birgt dies verteilungspolitische Risiken.

Kritische Aspekte eines Primärarztsystems wie mögliche Zugangsbeschränkungen, Wartezeiten und Stadt-Land-Ungleichheiten müssten frühzeitig mitgedacht werden. Ein evidenzbasiertes, qualitätsorientiertes Steuerungskonzept sei essenziell. 

Weitere Berufsverbände fordern eine deutliche Entlastung von Bürokratie. Der Marburger Bund sieht darin eine zentrale Voraussetzung für mehr Zeit in der Patient:innenversorgung. Künstliche Intelligenz zur Dokumentation sei zwar vielversprechend, könne aber nur bei gleichzeitiger Entschlackung der Bürokratie wirksam werden.

Krankenhausreform und die stationäre Versorgung

Auch die stationäre Versorgung wird thematisiert. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Hochschulmedizin fordern eine konsequente Umsetzung der Krankenhausreform sowie Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur, insbesondere zur Stärkung der Resilienz im Krisenfall. Die Hochschulmedizin begrüßt die geplante Stärkung universitärer Forschung und Lehre, mahnt aber eine rasche Klärung der Finanzierungsverantwortung an. Der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten fordert eine sektorenübergreifende Reform statt einer einseitigen Stärkung von Krankenhäusern.

Fazit: Der Koalitionsvertrag enthält viele gute Ideen - nun kommt es auf die konkrete Umsetzung und die Entwicklung tragfähiger Konzepte an.

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