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Gesundheitspolitik braucht Pflegefachpersonen – mehr denn je

Stellen Sie sich vor, Sie spielen „Mensch ärgere Dich nicht“ – aber kennen die Spielregeln, die Strategien und Erfahrung Ihrer Mitspieler nur rudimentär. Möglicherweise ärgern Sie sich – anders als der Spieltitel verspricht - am Ende darüber, dass Ihre Spielfiguren trotz allen Bemühens wieder im Haus stehen, während die der Mitspieler im Zielfeld angekommen sind. Was jetzt zu tun ist, ist klar: Sie beschäftigen sich mit den Spielregeln, studieren die Spielweise Ihrer Mitspieler, überlegen, wie Sie sich stärker aufstellen und freuen sich auf die neue Herausforderung der nächsten Runde.

Ähnlich geht es vielen Pflegefachpersonen, wenn es um gesundheitspolitische Entscheidungen geht. Sie betreffen den Berufsalltag direkt – doch allzu oft sind Pflegekräfte nicht ausreichend eingebunden oder vertreten. Dabei sind ihre Perspektiven und ihr Fachwissen entscheidend für eine qualitativ hochwertige Versorgung in unseren Kliniken.

Gesundheitspolitik ist kein abstraktes Thema für "die da oben", sondern ein Bereich, der unser tägliches Arbeiten, unsere Ressourcen und letztlich das Wohl der Patient:innen beeinflusst. Wer sich hier auskennt, kann erfolgreich mitreden, mitgestalten – und mitentscheiden.

Warum es wichtig ist, sich einzubringen

Die Spielregeln des Gesundheitswesens – Gesetze, Verordnungen, Richtlinien – entstehen nicht zufällig. Sie sind das Ergebnis politischer Aushandlungsprozesse zwischen vielen Akteuren: Ministerien, Abgeordnete, Kassen, Klinikträger, Ärztevertretungen – und hoffentlich auch der Pflege. Doch damit Pflege gehört wird, braucht es Menschen, die die pflegerischen Belange in die Ordnungspolitik übersetzen können - die die Details von steuernden Anreizsystemen durchdringen und schließlich mitgestalten. So kann die Pflege die eigenen Erfahrungen teilen und ihre Stimme überzeugend erheben.

Gerade in Zeiten des demographischen Wandels und steigender Versorgungsansprüche wächst die Bedeutung pflegerischer Expertise. Pflegefachpersonen tragen enorme Verantwortung. Umso wichtiger ist es, dass ihre Sichtweisen und Anforderungen auch in den politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.

Pflegekammern – eine Stimme für die Profession

Ein zentraler Baustein für mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten sind die Pflegekammern. Sie sind berufsständische Vertretungen, ähnlich wie Ärztekammern oder Apothekerkammern, und haben den Auftrag, die Interessen der Pflegefachpersonen zu bündeln und nach außen zu vertreten.

Pflegekammern übernehmen wichtige Aufgaben: Sie entwickeln berufliche Standards weiter, achten auf die Qualität der Berufsausübung, unterstützen Fort- und Weiterbildung und vertreten die Anliegen der Pflege auf politischer Ebene. Damit sind sie ein Instrument, um die Stimme der Pflegenden dauerhaft hörbar zu machen – unabhängig von einzelnen Arbeitgebern oder Verbänden.

Die Einführung von Pflegekammern in Deutschland ist ein Prozess, der nicht ohne Kontroversen verläuft. Während einige Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen bereits Erfahrungen mit Pflegekammern gesammelt haben, stehen andere Länder noch am Anfang oder haben die Diskussion wieder aufgegeben. Ein häufiger Kritikpunkt betrifft die Pflichtmitgliedschaft und die Beitragszahlungen. Gleichzeitig zeigen Erfahrungen, dass nur über eine starke, verbindliche Selbstvertretung mit staatlicher Legitimation die Pflege dauerhaft politisches Gewicht bekommt.

Pflegekammern sind damit keine „Bürokratie von oben“, sondern ein Instrument der Selbstorganisation. Sie eröffnen Pflegefachpersonen die Möglichkeit, gemeinsam Einfluss zu nehmen, Verantwortung zu übernehmen und die Weiterentwicklung des Berufs mitzugestalten. Gerade in einer Zeit, in der die Anforderungen an die Pflege stetig wachsen, braucht es diese starke und unabhängige Vertretung.

Wissen ist der erste Schritt

Wer die Grundlagen des politischen Systems kennt – etwa welche Gesetze die Pflegepraxis bestimmen, welche Akteure auf Bundes- und Landesebene Einfluss nehmen und wie Interessen ausgehandelt werden – ist besser gerüstet, um sich einzumischen. Es geht nicht darum, über Nacht zur Politikerin oder zum Politiker zu werden. Aber es geht darum, sich selbstbewusst und gekonnt für die Belange der eigenen Profession starkzumachen.

Dazu gehört auch ein Blick in die Geschichte: Warum ist die berufspolitische Organisation der Pflege in Deutschland so, wie sie ist? Welche Herausforderungen bestehen weiterhin – und wie können wir sie gemeinsam angehen?

Gemeinsam mehr erreichen

Mitgestalten heißt auch: Den Austausch mit Kolleg:innen suchen, den eigenen Gestaltungswillen ernst nehmen und andere dafür gewinnen. Ob auf Station, in Gremien oder in Fachverbänden – jede Stimme zählt. Politisches Engagement beginnt im Kleinen – mit der Entscheidung, nicht länger nur Zuschauer:in zu sein.

Fazit

Pflegefachpersonen gestalten unsere Gesellschaft mit – jeden Tag, ganz konkret am Patientenbett. Doch das reicht nicht. Ihre Erfahrung und ihr Wissen müssen auch in die politischen Entscheidungen einfließen, die Rahmenbedingungen setzen und Entwicklungen steuern. Nur so kann sichergestellt werden, dass gute Pflege auch unter schwierigen Bedingungen möglich bleibt.

Deshalb: Beschäftigen wir uns mit den „Spielregeln“. Tauschen wir uns aus. Und bringen wir uns ein. Denn Pflege hat eine Stimme – und die sollte gehört werden.

 

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Dr. Mechthild Schmedders

Dr. Mechtild Schmedders war unter anderem für die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages und für den Gemeinsamen Bundesauschuss tätig, bevor sie viele Jahre das Referat „Krankenhauspersonal und Qualitätssicherung“ beim GKV-Spitzenverband geleitet hat. Inzwischen arbeitet sie freiberuflich als Coach und Beraterin im Gesundheitswesen mit dem Schwerpunkt Krankenhauspflege.