In Krisen, bei Veränderungen oder schlicht im Alltagsdruck zeigt sich, was Führung heute leisten muss: Orientierung geben, Stabilität schaffen, Belastungen klug steuern. Dabei darf die Entscheidungsfähigkeit nicht verloren gehen – im Gegenteil: Sie wird zur Schaltstelle für wirksames Handeln. Resiliente Führung ist kein Luxus – sondern längst Realität für Organisationen, die Wandel gestalten, ohne auszubrennen.
Führungskräfte stehen unter zunehmendem Druck: Transformation, Fachkräftemangel, hybride Arbeit, Digitalisierung. Das Aufgabenfeld weitet sich – aber die Ressourcen wachsen nicht mit. Die Folge: Viele Führungskräfte geraten selbst an ihre Belastungsgrenzen.
Laut dem Global Leadership Forecast 2025 von DDI berichten 71 % von einem deutlich höheren Stresslevel, 40 % denken konkret über einen Ausstieg nach. Das ist nicht nur ein individuelles Problem – sondern ein systemisches Warnsignal.
Auch auf Teamebene sind die Folgen spürbar. Die aktuelle Gallup-Studie 2024 zeigt: 44 % der Mitarbeitenden fühlen sich regelmäßig erschöpft oder emotional distanziert. Häufigster Grund: mangelnde Klarheit, fehlende Unterstützung – und Führung, die im Reaktionsmodus gefangen ist.
Das zeigt: Führung ist nicht das Problem – sondern Teil der Lösung. Nicht durch Kontrolle oder Dauerpräsenz, sondern durch resilientes Führungsverhalten – klar, menschlich, bewusst. Es geht um innere und äußere Stabilität – gerade dann, wenn sich das Umfeld im ständigen Wandel befindet.
Resiliente Führung heißt nicht, alles aushalten oder Krisen wegmoderieren. Sondern: Belastungen früh erkennen, gesund steuern und aus schwierigen Situationen gestärkt hervorgehen – gemeinsam mit dem Team.
Sie basiert auf drei Prinzipien:
Selbstführung: Stabilität beginnt innen
Selbstführung beginnt mit dem ehrlichen Blick nach innen. Wer sich selbst gut kennt, kann bewusster handeln – besonders unter Druck. Dazu gehören Achtsamkeit, klare Prioritäten und bewusste Pausen sowie das Eingeständnis von Grenzen. Resilienz entsteht dort, wo Reflexion in Orientierung mündet – und Zuversicht die Handlung leitet.
Die Harvard Business Review zeigt: Führungskräfte, die regelmäßig reflektieren, verbessern ihr Entscheidungsverhalten signifikant – und erleben seltener Kontrollverlust oder Erschöpfung.
Ein bewährter Ansatz: Der „10‑10‑10“-Check. 10 Minuten morgens, mittags, abends – zur Selbstklärung: Was brauche ich jetzt, um wirkungsvoll zu bleiben?
Teamorientierung: Psychologische Sicherheit schaffen
Resiliente Führung schafft Räume, in denen Menschen offen sprechen, Fehler zugeben, Fragen stellen und Verantwortung übernehmen können. Diese "psychologische Sicherheit" ist nach der Google-Studie „Project Aristotle“ der wichtigste Faktor für erfolgreiche Teams.
Das erfordert mehr als gute Absichten. Es beginnt mit kleinen Ritualen:
Gerade in hybriden Teams ist psychologische Sicherheit kein Selbstläufer. Sie braucht Führung, die bewusst zuhört, Unsicherheit aushält – und den Mut zur Offenheit lebt.
Strukturbewusstsein: Stressquellen sichtbar machen
Oft sind es nicht die Menschen, sondern die Strukturen, die überfordern. Zu viele parallele Aufgaben, unklare Rollen, ständig neue Prioritäten. Wer resilient führen will, muss auch strukturell denken:
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Vertriebsteam führte eine „rote Linie“-Zeit ein – täglich 90 Minuten ohne Mails, Anrufe oder Unterbrechungen. Ergebnis: bessere Konzentration, mehr Zufriedenheit, weniger Überstunden.
Resiliente Führung erfordert außerdem Akzeptanz: dass Wandel dazugehört, dass nicht alles kontrollierbar ist – und dass Anpassungsfähigkeit eine Stärke ist. Wer Veränderung als Teil des eigenen Entwicklungsweges begreift, bleibt beweglich statt reaktiv.
Diese fünf Fragen helfen, blinde Flecken in der eigenen Führungsroutine aufzudecken – und stärken die Fähigkeit zur Selbstkorrektur.
Diese Fragen stellen keinen Test dar, sondern bieten eine klare Orientierungshilfe. Sie eignen sich für regelmäßige Reflexionsrunden – sei es im Team, im Einzelgespräch oder als persönliche Wochenreflexion. Oft genügt bereits eine gezielte Frage zur richtigen Zeit, um neue Klarheit zu gewinnen. Wichtig dabei: Reflexion soll nicht blockieren, sondern Handlungssicherheit stärken. Wer bewusst führt, entscheidet klarer – nicht zögerlicher.
Resiliente Führung wirkt. Studien zeigen:
Der Effekt resilienter Führung reicht über Gesundheitsprävention hinaus. Sie schafft auch ein stärkeres Innovations- und Lernumfeld. Mitarbeitende denken mit, statt nur abzuarbeiten. Sie bleiben – auch wenn es schwieriger wird. Und sie entwickeln Lösungen, weil sie sich sicher genug fühlen, Fragen zu stellen und Neues auszuprobieren.
Führung ist heute nicht mehr primär Kontrolle oder Anweisung – sondern ein Resonanzraum, in dem Klarheit, Vertrauen und Menschlichkeit gleichzeitig Platz haben.
Vielleicht ist das der wichtigste Perspektivwechsel: Nicht Führung gegen Stress, sondern Führung für Stabilität – als aktiver Beitrag zu Gesundheit, Zusammenarbeit und Entwicklung. Wer resilient führt, stärkt nicht nur sich selbst – sondern das Vertrauen und die Anpassungsfähigkeit seines gesamten Systems.
Quellen
DDI: Development Dimensions International: Global Leadership Forecast (2025)
https://media.ddiworld.com/research/ddi-hr-insights-report-2025.pdf
Gallup: State of the Global Workplace Report (2024)
https://www.gallup.com/workplace/349484/state-of-the-global-workplace.aspx
Harvard Business Review: What It Takes to Create an Engaging Work Environment (2024)
https://hbr.org/2024/03/what-it-takes-to-create-an-engaging-work-environment?autocomplete=true
Google Project Aristotle: Understanding Team Effectiveness (2016)
https://rework.withgoogle.com/en/guides/understanding-team-effectiveness#foster-effective-team-behaviors
Deloitte: Human Capital Trends (2023)
https://www.deloitte.com/us/en/insights/topics/talent/human-capital-trends/2023.html
Forbes: Inclusive Leadership – The Key To Sustainable And Equitable Growth (2024)
https://www.forbes.com/sites/aliciagonzalez/2024/07/20/inclusive-leadership-the-key-to-sustainable-and-equitable-growth/
Intensivseminar Führungskompetenzen
Intensivseminar Krankenhausleitung für Ärztliche Direktor:innen und Chefärzt:innen
Intensivseminar Krankenhausleitung für Pflegedirektor:innen
Dr. Shermineh Shahi
Dr. Shermineh Shahi ist Institutsleiterin bei den mibeg-Instituten und verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Umsetzung beruflicher Weiterbildungen im Gesundheitswesen. Nach ihrer Promotion an der Universität Amsterdam in Biologie wechselte sie in die Bildungsarbeit und gestaltete als Seminarleiterin, Projektleiterin und heute als Leitungspersönlichkeit innovative Bildungsprogramme mit.
Mit einem akademischen Hintergrund und fundierter Forschungserfahrung verbindet sie analytisches Denken mit praxisorientierter Bildungsarbeit – immer mit dem Ziel, Wissen wirkungsvoll in berufliche Handlungskompetenz zu übersetzen.