Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2026 markiert mit rund 20,09 Milliarden Euro einen neuen Höchststand für den Gesundheitsetat. Der Schwerpunkt liegt auf der Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflege: In den Gesundheitsfonds fließen insgesamt 16,8 Milliarden Euro – die seit 2017 festgeschriebene Pauschale zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben bleibt bei 14,5 Milliarden Euro, ergänzt um ein überjähriges Darlehen von 2,3 Milliarden Euro. Deutlich ausgeweitet wird zudem die Pflegevorsorge: Für 2026 sind 1,58 Milliarden Euro eingeplant, einschließlich eines Darlehens an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig setzt der Etat andere Akzente: Während die Mittel für Cybersicherheit im Gesundheitswesen massiv auf 189 Millionen Euro steigen, werden Ausgaben für Prävention, Impfstoffbeschaffung und einzelne Forschungstitel spürbar zurückgenommen.
Die aktuellen Halbjahreszahlen des Bundesgesundheitsministeriums zeigen eine ungebrochen hohe Ausgabendynamik in der GKV. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Leistungsausgaben um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Maßgeblich waren höhere Kosten für Krankenhausbehandlungen – begünstigt durch Vergütungsanpassungen und die Refinanzierung von Tarifsteigerungen –, aber auch Zuwächse in der psychiatrischen Versorgung, bei Pflegepersonalkosten im IST-Kosten-Ausgleich sowie im ambulanten Bereich. Die Ambulantisierung gewinnt an Fahrt: Speziell vergütete Eingriffe (Hybrid-DRG) verlagern Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Sektor. Auch die Arzneimittelausgaben legten zu, in Teilen überdurchschnittlich in spezialfachärztlichen Versorgungsbereichen. Zwar wiesen die Kassen zur Jahresmitte einen leichten Überschuss aus; das Ministerium ordnet ihn jedoch vor allem als Auffüllen zuvor geschmolzener Reserven ein. Entsprechend lag der durchschnittliche Zusatzbeitrag Ende Juni mit 2,92 Prozent bereits über dem für 2025 festgesetzten Wert.
Die wirtschaftliche Lage der Kliniken bleibt angespannt. Laut der aktuellen Roland-Berger-Studie schrieben 2024 drei Viertel der Häuser rote Zahlen, bei öffentlichen Kliniken knapp 90 Prozent. Teilweise belaufen sich die Defizite auf über 100 Millionen Euro pro Haus. Insolvenzen blieben bislang geringer als befürchtet, nicht zuletzt, weil Träger und Kommunen gegensteuern. Gleichwohl rechnet die Studie mit einer stärkeren Konsolidierung: Fusionen, Verbundbildungen und auch Standortschließungen dürften zunehmen, Leistungsportfolios werden neu zugeschnitten, die Ambulantisierung schreitet voran. Parallel besteht erheblicher Transformationsbedarf: Für Bau, IT und Digitalisierung veranschlagt die Studie einen Investitionsbedarf von rund 130 Milliarden Euro – deutlich mehr, als mit vorhandenen Fördermitteln, einschließlich des 50-Milliarden-Euro-Krankenhaus-Transformationsfonds, kurzfristig abgedeckt werden kann.
Für den laufenden Haushalt 2025 sind keine zusätzlichen Mittel für GKV und Pflege vorgesehen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken betont den Bedarf an kurzfristigen Maßnahmen und strukturellen Reformen. Für 2026 beziffert sie die Deckungslücke auf etwa vier Milliarden Euro in der Krankenversicherung und zwei Milliarden Euro in der Pflege. Eine Expertenkommission soll zügig Vorschläge zur Einnahmen- und Ausgabenseite vorlegen, mit dem Ziel, die Beiträge ab 2027 zu stabilisieren. Die Zeitachse ist allerdings eng: Der GKV-Schätzerkreis tagt Ende Oktober, während der Bundeshaushalt 2026 traditionell erst spät finalisiert wird. Kassen und Arbeitgeber drängen daher auf frühzeitige Klarheit, um Beitrags- und Haushaltsentscheidungen fundiert treffen zu können.
Neu entfacht ist die Debatte um die Ausgestaltung der GKV. Ein Vorstoß aus dem Umfeld des BMG, einen Basistarif mit zubuchbaren Zusatzpaketen zu prüfen, soll mehr Tarifwettbewerb ermöglichen und Beitragsanstiege dämpfen. Ministerin Warken stellte im Bundestag klar, dass ein solcher Basistarif nicht Teil der kurzfristigen Stabilisierung für 2026 sei und im Ministerium derzeit nicht erarbeitet werde – das Thema könne jedoch in der GKV-Reformkommission beraten werden, „ohne Denkverbote“. Dazu zählt ausdrücklich auch die Prüfung möglicher Leistungskürzungen sowie von Maßnahmen auf Einnahmen- und Ausgabenseite.
Die Reaktionen fallen gespalten aus: Der GKV-Spitzenverband hält Tarifdebatten für eine Ablenkung von strukturellen Kostentreibern (Krankenhaus, Arzneimittel) und plädiert dafür, Ausgabenanstiege ohne Leistungskürzungen zu begrenzen. Die KBV begrüßt mehr Wahlfreiheit, solange eine umfassende Grundversorgung gesichert ist. Die Grünen warnen vor einem Drei-Klassen-System, der DGB vor einer „Minimalversorgung“ als Grundstandard. Die PKV verweist auf bereits über 31 Millionen bestehende private Zusatzpolicen und kritisiert eine mögliche Wettbewerbsverzerrung, falls GKV-Kassen eigene Zusatzpakete anbieten dürften.
Kurzfristig bleibt das Ziel, Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2026 nach Möglichkeit zu vermeiden. Warken spricht weiterhin von einem „Delta“ in der Finanzierung und fordert zusätzliche Bundesmittel, bis Strukturreformen wirken. Andernfalls stünden temporäre Einschnitte bzw. Ausgabenbremsen zur Debatte. In den Haushaltsentwürfen 2025/2026 sind bislang lediglich Darlehen für GKV und Pflege vorgesehen – nach einhelliger Einschätzung nicht ausreichend, um die absehbare Dynamik allein zu kompensieren. Entscheidende Wegmarke bleibt der Schätzerkreis im Herbst, dessen Orientierungswert die Kassenhaushalte für 2026 maßgeblich beeinflusst.
Der Haushalt 2026 setzt ein deutliches Signal der Stabilisierung, während die realwirtschaftlichen Trends – steigende Ausgaben, angespannte Klinikbilanzen und hoher Investitionsbedarf – unverändert für Gegenwind sorgen. Parallel rückt die Grundsatzfrage in den Fokus, wie solidarische Grundabsicherung, Wahlfreiheit und Finanzierbarkeit zueinander austariert werden. Entscheidend wird sein, ob kurzfristige Entlastungen und die angekündigten Strukturreformen schnell genug greifen: bei der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Leistungen in der GKV, bei der zielgenauen Förderung von Transformation und Digitalisierung in den Kliniken sowie beim weiteren Ausbau ambulanter Strukturen. Nur wenn diese Bausteine verzahnt wirken – und die Reformkommission zügig in belastbare Gesetzgebung mündet –, lässt sich der Beitragssatzdruck begrenzen und zugleich die Versorgungsqualität sichern.
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