Der amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger prägte 1974 den Begriff Burnout bzw. Burnout-Syndrom; er beobachtete in seiner Praxis vor allem bei sehr engagierten Menschen in helfenden Berufen einen Krisenzustand, den er als „Ausbrennen“ bezeichnete. Freudenberger beschrieb das Burnout-Syndrom als einen Zustand, der gekennzeichnet ist durch ausgesprochene emotionale Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit (Freudenberger 1974).
Später wurde der Begriff aufgrund empirischer Untersuchungen auch auf andere Berufsgruppen übertragen und oftmals auf nicht berufliche Bereiche wie bspw. Familie und Sport ausgeweitet.
Ob Burnout ein eigenständiges Krankheitsbild ist, ist in der Fachwelt noch umstritten, jedoch hat der Begriff einige positive Aspekte: Psychiatrische Diagnosen sind oftmals schambehaftet, führen zu Stigmatisierung und Betroffene überlegen sehr genau, wem sie davon erzählen. Dies sieht bei Burnout etwas anders aus, es scheint, dass dieser Begriff gesellschaftsfähiger ist. (Rungg 2023)
Auch wenn Burnout in der aktuellen Version des weltweit anerkannten Klassifikationssystems für Krankheiten der WHO (ICD-11, World Health Organization 2023) unter „QD85 Burnout“ aufgeführt wird, so handelt es sich dabei nicht um eigenständige psychiatrische oder somatische Diagnose (auch wenn das in den Medien auch heute noch oftmals falsch interpretiert und kommuniziert wird), sondern um eine sog. „qualifying diagnosis (QD)“ als zusätzliche Kodierung zu einer ICD-11 Diagnose zur weiteren Spezifizierung bzw. als Hinweis auf Kausalität.
Die WHO versteht unter Burnout[1]
„ein Syndrom, das als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz konzeptualisiert wird, der nicht erfolgreich bewältigt wurde. Es ist durch drei Dimensionen gekennzeichnet:
1) Gefühle der Energieerschöpfung oder Erschöpfung
2) Erhöhte mentale Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf die Arbeit
3) Ein Gefühl der Ineffektivität und des Mangels an Leistung“
und präzisiert: „Burnout bezieht sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext und sollte nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen verwendet werden.“
Als Ursache eines Burnout ist anhaltender Stress anzusehen, es handelt sich nicht um eine plötzlich auftretende Beeinträchtigung, sondern um eine längerfristige Entwicklung, also um einen fortschreitenden Prozess.
Freudenberger und North (1992) beschreiben die Phasen des Burnout als einen „Burnout-Zyklus“ mit 12 Stadien, die nicht immer genau in dieser Reihenfolge auftreten. Sie kennzeichnen aber häufig vorkommende Schritte des Burnout-Syndroms. Nicht selten gilt Ehrgeiz als Einstiegsfaktor in den Burnout-Zyklus: Man stellt an sich selbst hohe Maßstäbe, will alles perfekt machen und hegt zum Teil übertriebene Erwartungen. Der Wunsch, sich zu beweisen, verwandelt sich in Zwang und Verbissenheit (Stadium 1). Um den sich selbst gesetzten, hohen Anforderungen zu genügen, wird der Einsatz im Unternehmen gesteigert (Stadium 2). Angesichts dieser Einsatzbereitschaft kommt die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse immer mehr zu kurz (Stadium 3). Der Betroffene wird sich dieser Konflikte bewusst, beginnt sie jedoch zu verdrängen, die privaten Bedürfnisse auf später zu verschieben, zu verleugnen (Stadium 4). Die nichtberuflichen Bedürfnisse verlieren weiter an Bedeutung, für sie kann keine Zeit mehr aufgebracht werden (Stadium 5). Dieser Verzicht wird häufig gar nicht mehr wahrgenommen, die Überarbeitung und Überlastung zunehmend verleugnet. Intoleranz und abnehmende Flexibilität prägen zunehmend das Denken und Verhalten (Stadium 6). Orientierungslosigkeit stellt sich ein, kann aber verdeckt sein durch eine zynische, nach außen scheinbar unveränderte Haltung (Stadium 7). Erst in der weiteren Phase des Burnout-Zyklus werden Verhaltensänderungen unübersehbar, wie etwa die Abwehrhaltung gegenüber Kritik, der zunehmende emotionale Rückzug vom Arbeitsgeschehen, das Fehlen von Flexibilität (Stadium 8). Folge davon kann ein Wahrnehmungsverlust der eigenen Person sein, frühere Bedürfnisse werden nicht mehr erkannt (Stadium 9). Man fühlt sich nutzlos und „am Ende“, Angstgefühle oder Suchtverhalten treten auf (Stadium 10). Zunehmende Sinnlosigkeit und Desinteresse prägen die letzten Stadien, Initiative und Motivation sind auf dem Nullpunkt angelangt (Stadium 11). Den absoluten Endpunkt bildet die totale Erschöpfung, die lebensbedrohend sein kann (Stadium 12):
Burnout-Zyklus (eigene Darstellung nach Freudenberger & North 1992)
Bei den Risikofaktoren für Burnout werden individuelle und organisationale Faktoren unterschieden (Straus 2022):
Zu den individuellen Faktoren gehören eine gesteigerte Verausgabungsbereitschaft, Perfektionismus, geringe Distanzierungsfähigkeit, externe Kontrollüberzeugung, vermeidend/resignatives Coping, Neurotizismus, Narzissmus und Alexithymie.
Bei den organisationalen Faktoren ist ein Ungleichgewicht zwischen hohem Einsatz und zu geringer Belohnung/Anerkennung bzw. zu hohen Anforderungen und einem geringen Handlungsspielraum zu nennen. Weiterhin: zu wenig soziale Unterstützung, ungerechte Behandlung, Erleben von Ungerechtigkeit, Rollen- und Wertekonflikte, eine qualitative und quantitative Arbeitsüberlastung.
Burnout ist kein dienstleistungsspezifisches Phänomen, sondern es kommt auch in anderen Berufszweigen vor. In Großorganisationen sind diejenigen Personen häufig Burnout-gefährdet, die ein großes Bedürfnis nach Autonomie besitzen. Rollenkonflikte sind hier auch eher zu erwarten als in kleineren Organisationen.
Persönlichkeitsfaktoren sind ebenso wie die Arbeitsumstände am Entstehen von Burnout beteiligt. Das Verhältnis beider Faktoren fasst am besten Burisch 2010 zusammen: „Da wo die inneren Faktoren, die persönlichen Dispositionen so weit überwiegen, dass äußere nahezu entbehrlich waren, allenfalls noch äußere Auslöser gebraucht werden, da spreche ich von Selbstverbrennern. Am anderen rechten Ende des Kontinuums stehen Opfer der Umstände, in die sie ohne eigenes Zutun geraten sind und die sie zermürben.“ Zwischen diesen beiden Polen erstreckt sich ein breites Feld von diffuser Arbeitszufriedenheit/-unzufriedenheit, das eventuelle Phasen von Burnout abdeckt, das aber keine gesundheitlichen Folgen für das Subjekt und keine so sicheren negativen Folgen für den Arbeitgeber bzw. den Arbeitsgegenstand hat. So wurde von Bruggemann et al. 1975 der Typ des „konstruktiv Unzufriedenen“, für den Betrieb also eher positiv Unzufriedenen beschrieben. (Kolbe & Haisch 2013)
Burnout hat auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, die sich aus verschiedenen Datenquellen ergibt: 21% der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schätzen ihr Burnout-Risiko als hoch ein (Pronova BKK 2024), die Fehltage speziell aufgrund von Burnout bewegen sich laut der KKH Kaufmännische Krankenkasse (2024) mit elf Tagen pro 100 Erwerbstätigen auf einem sehr hohen Niveau. Eine aktuelle forsa-Umfrage zeigt, dass mehr als jeder vierte Erwerbstätige (28 Prozent) laut eigener Angabe in seinem Berufsleben schon einmal wegen hohem Druck und Belastungen ausgefallen ist und jeder siebte sehr häufig Stress erlebt (KKH 2024). (Hossiep & Schulz 2024) Auch die AOK liefert umfangreiche Daten zum Burnout: Im Jahr 2005 wurden 14 Krankheitstage je 1000 Versicherte registriert, dieser Wert stieg kontinuierlich auf 142 Krankheitstage je 1000 Versicherte im Jahr 2020. Hochgerechnet auf 27 Millionen im Jahr 2021 in der AOK gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte ergibt das rund 3,8 Millionen Krankheitstage. Auch im europäischen Ausland ist die Bedeutung bekannt, so gibt der „Job-Stress-Index zum Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz“ für das Jahr 2022 an, dass arbeitsbezogener Stress Arbeitgebende rund 7,6 Mrd. CHF gekostet habe.
In einer Studie aus dem Gesundheitswesen führen Estryn-Béhar et al. (2007) zum Thema „Intent to Leave“ aus: Der Mangel an Pflegekräften in Europa erfordert effektivere Maßnahmen zur Rekrutierung und Bindung von Pflegepersonal. Die Studie untersuchte, ob und wie das soziale Arbeitsumfeld, Teamarbeit, Burnout und persönliche Faktoren mit der Absicht von Pflegekräften, den Beruf zu verlassen (Intent to Leave, ITL), zusammenhängen. Die Stichprobe umfasste 28.561 Krankenhauspflegekräfte aus 10 europäischen Ländern. Berücksichtigt wurden verschiedene berufliche Ebenen: examinierte Pflegekräfte (n = 18.594), spezialisierte Pflegekräfte (n = 3957), Stationsleitungen (n = 3256) sowie Pflegehilfskräfte und unterstützendes Personal (n = 2754).
Die Ergebnisse zeigen, dass ITL in Europa weit verbreitet ist, wobei Unterschiede zwischen den Ländern in Abhängigkeit von Arbeitsbedingungen und wirtschaftlicher Lage bestehen. Die Qualität der Teamarbeit, zwischenmenschliche Beziehungen, Karrieremöglichkeiten, Unsicherheiten in der Behandlung sowie Einflussmöglichkeiten am Arbeitsplatz beeinflussen die Entscheidung von Pflegekräften, den Beruf zu verlassen – mit länderspezifischen Unterschieden. Ein ernsthafter Mangel an Teamarbeit scheint in 7 Ländern mit einem 5-fach erhöhten Risiko für ITL verbunden zu sein. Persönliche Faktoren wie Konflikte zwischen Beruf und Familie, Zufriedenheit mit dem Gehalt und Burnout spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ein hoher Burnout-Wert ist in 5 Ländern mit einem 3-fach erhöhten ITL-Risiko assoziiert.
Die Autoren schlussfolgern: Um einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Pflegeberuf zu verhindern, ist es wichtig, die Fachkompetenz von Pflegekräften zu erweitern, Arbeitsabläufe durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und Teamarbeit zu verbessern sowie Schulungen und Stationskonzepte zu entwickeln, die Teamarbeit erleichtern.
Es existiert kein objektiver Parameter zur Diagnostik von Burnout, zur Abklärung ist daher zunächst eine umfangreiche körperliche und laborchemische Untersuchung erforderlich, um organische Ursachen auszuschließen. Im weiteren Verlauf erfolgt die Abklärung vor allem mittels Gespräch und Fragebogen; in den meisten Fällen wird Burnout über Selbstbeurteilungsbögen gemessen. Hier kommt in über 90% das Maslach-Burnout-Inventar (MBI) zum Einsatz. (Rungg 2023)
Die Entwicklung des MBI erfolgte originär nicht für die klinische Praxis, sondern es sollte der Wissenschaft dazu dienen, das Burnout-Phänomen näher zu ergründen. Das MBI kann und soll nicht für die individuelle Diagnose, sondern im Sinne eines Selbst-Assessment verwendet werden. (Maslach et al. 1997)
In einem HTA-Bericht zur Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms aus dem Jahr 2010 kommen Korczak et al. u. a. zu der Feststellung: „Zentrales Ergebnis des HTA-Berichts ist, dass es bisher kein standardisiertes, allgemeines und international gültiges Vorgehen gibt, um eine Burnout-Diagnose zu stellen. Derzeit liegt es im ärztlichen Ermessen, Burnout zu diagnostizieren. Die Schwierigkeit besteht darin, etwas zu messen, das nicht eindeutig definiert ist. Die bisher diskutierten Burnout-Messinstrumente erfassen größtenteils verlässlich ein dreidimensionales Burnout-Konstrukt. Die bisher gelieferten Cutoff-Punkte erfüllen jedoch nicht den Anspruch der diagnostischen Gültigkeit, da die Generierung dieser Werte nicht der wissenschaftlichen Testkonstruktion entspricht. Die verwendeten Burnout-Messinstrumente sind nicht differentialdiagnostisch validiert.“
Hossiep & Schulz (2024) stellen einen personalpsychologischen Fragebogen zur Burnout-Prävention vor, das „Occupational Burnout Inventory (OBOI)“, und führen dazu u.a. aus:
„Das Motiv zur Entwicklung des Verfahrens war es, der Personalarbeit ein anwendungsnahes, griffiges Frühwarninstrument mit Blick auf Burnout zur Verfügung zu stellen. Es soll mit minimalem Aufwand zuverlässig einen differenzierten Check liefern, ob ein Burnout-Risiko vorliegt und deshalb Handlungsbedarf besteht oder ob sozusagen alles im grünen Bereich liegt. Dabei erfüllt das OBOI den aus wissenschaftlicher Perspektive bestehenden Anspruch in Bezug auf die gängigen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität und liefert somit belastbare Ergebnisse. Ein wissenschaftlicher personalpsychologischer Fragebogen zur Burnout-Früherkennung liegt veröffentlicht bisher nicht vor. Hervorzuheben ist, dass es sich ausdrücklich nicht um einen klinisch basierten Fragebogen handelt. Vielmehr soll die Möglichkeit bestehen, dass Fach- und Führungskräfte das OBOI problemlos und ausgesprochen zeitökonomisch bearbeiten können. Der Fragebogen besteht aus lediglich 45 Aussagen. Diese schätzt die Person, die den Fragebogen beantwortet, auf einer sechsfach abgestuften Skala von „trifft voll zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“ ein. Dabei dauert die komplette Bearbeitung des Fragebogens erfahrungsgemäß fünf bis sieben Minuten.
Im Ergebnis erhält der Proband eine Auswertung über fünf Skalen, die mit Leitfragen verknüpft sind:
Die Ausprägungen der einzelnen Skalen und gegebenenfalls sogar die Beantwortung einzelner Fragen liefern hierbei konkrete Ansatzpunkte, aus denen bei Bedarf bzw. einer bestehenden Notwendigkeit gegensteuernde Maßnahmen abgeleitet werden können.“
Zum Einsatz des OBOI führen die Autoren aus: „Das Occupational Burnout Inventory kann bei Fragestellungen rund um das Thema Arbeit und Gesundheit eingesetzt werden. Der Fragebogen richtet sich primär an Berufstätige, ist aber nicht auf eine bestimmte Berufsgruppe beschränkt. Der Fragebogen kann zur persönlichen Standortbestimmung genutzt werden, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob eine Burnout-Gefährdung vorliegt. Zudem ist der mehrmalige Einsatz im Sinne einer Verlaufsmessung zu empfehlen, im Rahmen derer in regelmäßigen Abständen (z. B. halbjährlich; bei angezeigter Gefährdung auch in kürzeren Zeiträumen von ein bis zwei Monaten) eine Überprüfung des individuellen Risikos stattfindet. Veränderungen des Gefährdungspotenzials können so verlässlich und recht unkompliziert festgestellt werden. Gerade die wiederholte Messung bietet zugleich eine effektive Evaluationsmöglichkeit für vorgenommene Interventionen.
Der Fragebogen eignet sich zudem zum Einsatz im Coaching, in der Psychotherapie, bei der psychosozialen Beratung und im arbeitsmedizinischen Bereich. Ferner lässt sich das OBOI als Baustein des Gesundheitsmanagements, nicht zuletzt auch im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, nutzen und bietet systematische Unterstützung bei organisationalen Fragestellungen rund um das Thema Burnout-Gefährdung. Neben individuellen kann das OBOI auch für organisationale Fragestellungen genutzt werden. Zur Bestimmung des Burnout-Risikos für Teams, Abteilungen und auch organisationsübergreifend kann der Fragebogen einmalig oder in wiederholter Form Anwendung finden. Gerade bei hohen Krankenständen oder Rückmeldungen zu wahrgenommenen starken Belastungen kann das OBOI helfen, Eindrücke zu systematisieren und entstehende Burnout-Prozesse zu identifizieren.“
Die Interventionsmöglichkeiten lassen sich grob in Strategien unterscheiden, die der einzelne anwenden kann, um Burnout rechtzeitig zu erkennen und um geeignete Bewältigungsstile zu entwickeln (individuelle Strategien), bzw. die Organisationen etablieren sollten, um Burnout rechtzeitig zu erkennen und gezielt Gegenmaßnahmen ergreifen zu können (Strategien der Organisation). (Stadler 2006)
Individuelle Strategien: Stress lässt sich aktiv und direkt angehen, aber ebenso sind inaktive und indirekte Strategien möglich, die sich allerdings nicht immer als effizient erweisen. Beispiel: Eine inaktive und wenig effektive Strategie wäre es, wenn dauerhafte Belastungen ignoriert würden. Wenn hier Änderungsmöglichkeiten wahrgenommen werden, sollte eher eine direkte und aktive Strategie gewählt werden, mittels derer im besten Fall diese Belastungen verringert werden. Wird hier keine Änderungsmöglichkeit gesehen, so kann versucht werden, eine positive Einstellung einzunehmen, oder aber, nach Abwägen aller Vor- und Nachteile, auch eine andere Tätigkeit zu suchen. Ebenso wichtig ist es, sich über die eigenen beruflichen und privaten Ziele Klarheit zu verschaffen. Dies kann in Form eines „inneren Dialoges" geschehen, indem Vor- und Nachteile der jeweiligen Ziele aufgelistet werden. Man kann aber auch den Rat eines Freundes oder eines Fachmannes, z.B. eines Psychotherapeuten, suchen. Manchmal kann dies zu dem Schluss führen, ein anderes Leben zu führen. Weitere sinnvolle Techniken zur Stressbewältigung sind Zeitmanagement oder das Erweitern der beruflichen Kompetenzen.
Organisationale Strategien: Eine Möglichkeit, wie Unternehmen Belastungen entgegenwirken könnten, wäre z.B., durch Arbeitszeitflexibilisierungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beizutragen. Weitere Interventionsmöglichkeiten sind:
Ebenso ist gerade für Berufsanfänger das Ansetzen bei den beruflichen Erwartungen wichtig. Den Einsteigern sollte ein möglichst realistisches Bild des zukünftigen Arbeitsplatzes gegeben werden, Hilfen sollten angeboten werden.
Ein praktisches Beispiel für eine Intervention auf Organisationsebene stellen Kantner-Rumplmair & Lorenz (2009) in ihrem Artikel mit dem Titel „Stress und Burnout auf Intensivstationen. Sprechen als Ausweg“ vor und merken u.a. an: „Ärzte und Ärztinnen sind gerade am Beginn ihrer Fachausbildung besonders gefährdet, in einen fatalen Zirkel aus erschöpfenden Dienstanforderungen mit großer Fehler- und Zukunftsangst zu geraten. In dieser Situation ist die Fähigkeit zu einer konstruktiven Kooperation mit den Berufsgruppen einer Intensivstation oft problematisch eingeschränkt und bewirkt nachhaltige Veränderungen in den Interaktions- und Kommunikationsstilen aller Mitarbeiter einer Station. Gerade die Intensivmedizin ist durch ihre große Abhängigkeit von technischen Hilfsmitteln gefährdet, mit zunehmender Patientenferne die Attraktivität für junge Mitarbeiter einzubüßen. Umso wichtiger ist es, auch die Kommunikation zu pflegen und zu schulen. An der Allgemein Chirurgischen Intensivstation (ACI) der Medizinischen Universität Innsbruck wurde vom ärztlichen Leiter, vom leitenden Stationspfleger und vom psychiatrisch/psychotherapeutischen Liaisondienst für alle Mitarbeiter dieser Intensivstation ein Gesprächsforum ins Leben gerufen. Bisher hat die „Heavy Case Conference“ (HCC) 33-mal stattgefunden, und sie wird in ihrer bisherigen Form weitergeführt. In einer Zwischenevaluation konnten wir erheben, dass 96% der Teilnehmer diese Form der Arbeitsreflexion beibehalten möchten und 68% der Kollegen auch nach dem Verlassen der Intensivstation an ihrem neuen Arbeitsplatz eine adäquate Besprechungskultur für sich reklamieren. Gerade die jüngeren Mitarbeiter haben in einem höheren Ausmaß fachlich, aber auch im Sinne der psychischen Entlastung profitiert.“
Bei der Behandlung eines Burnout gibt es keine Standardtherapie. Sie muss jeweils an die Betroffenen und ihre Lebenssituation sowie an die vorhandene Ausprägung des Burnout angepasst werden. Je nach Schweregrad erfolgt die Therapie ambulant oder stationär. Es lassen sich – entsprechend den beiden Gruppen der Risikofaktoren – individuumszentrierte und organisations- bzw. arbeitsplatzpsychologische Ansätze unterscheiden. Auch hier ergibt sich der Output aus der Kombination der beiden Seiten. Die individuumszentrierten Behandlungsmethoden sollen Betroffene dazu befähigen, ihre individuellen und sozialen Ressourcen zu nutzen und zu stärken, um mit Stress besser umgehen zu können. Die organisationspsychologischen Konzepte umfassen Maßnahmen und Strategien, die auf eine Verbesserung der konkreten Arbeitsbedingungen in der Organisation abzielen und externe Stressoren verringern bzw. soziale Unterstützung verstärken sollen. (Rungg 2023)
Eine sehr gute Übersicht zu Grundlagen und praktischen Empfehlungen der Burnout-Behandlung ist zu finden bei den Therapieempfehlungen des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout (SEB) aus dem Jahr 2016.
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[1] Markierung fett durch den Verfasser
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Prof. Dr. med. Andreas Becker
Prof. Dr. med. Andreas Becker ist ausgewiesener Experte für Medizinmanagement und Patientensicherheit. Er berät Einrichtungen im Gesundheitswesen und ist Honorarprofessor für Patientensicherheit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Fast 15 Jahre war er Geschäftsführer des größten deutschen trägerübergreifenden Krankenhausverbundes.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind Beratung und Training zu Überfachlichen Kompetenzen und Human Factors in unterschiedlichen Branchen und Unternehmensbereichen. Dabei setzt er seine Qualifikationen und Erfahrungen aus Medizin und Luftfahrt (Human Factors Trainer nach Joint Aviation Requirements und EU OPS) ein.
Prof. Becker ist auch öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Qualitäts-, Informationssicherheits- und Risikomanagement in Krankenhäusern und medizinischen Laboratorien, Autor zahlreicher Fachartikel und Buchbeiträge.