Der Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitswesen ist längst kein abstraktes Risiko mehr – er ist eine akute Herausforderung für die Versorgung, die Teamstabilität und die Leistungsfähigkeit von Einrichtungen. Der aktuelle IW-Report zeigt: Kein anderer Wirtschaftsbereich ist stärker von Engpässen betroffen. Hinter diesen Zahlen stehen jedoch nicht nur unbesetzte Stellen, sondern Teams, die an ihre Belastungsgrenzen stoßen, und Führungskräfte, die Personalentwicklung neu denken müssen.
In diesem Kontext wird ein Faktor besonders wichtig: die systematische Integration und Entwicklung internationaler Fachkräfte durch einen professionell begleiteten Anerkennungsprozess. Was früher vor allem als bürokratischer Pflichtakt galt, entwickelt sich zunehmend zu einem zentralen Instrument moderner Personalführung.
Fachkräftemangel als Führungsaufgabe
Rund 46.000 Fachkräfte fehlten im Jahresdurchschnitt 2024 im Gesundheitswesen – deutlich mehr als in jedem anderen Bereich. Besonders betroffen sind Pflegeberufe, Physiotherapie, medizinische Assistenzberufe und zahnmedizinische Fachangestellte. Diese Engpässe wirken sich unmittelbar auf Qualität, Prozesse und Teamdynamik aus.
Die IW-Studie nennt strukturelle Ursachen: den demografischen Wandel, hohe Belastungen im Berufsalltag, zu geringe Ausbildungszahlen und regionale Unterschiede. Für Personalverantwortliche entsteht daraus ein klares Bild: Rekrutierung allein reicht nicht mehr. Personalführung muss stärker auf Potenziale, Entwicklungsmöglichkeiten und Integration ausländischer Fachkräfte ausgerichtet werden.
Anerkennung als Entwicklungsprozess
Internationale Fachkräfte bringen wertvolles Wissen und Erfahrung mit. Entscheidend für ihren erfolgreichen Einstieg ist jedoch die Anerkennung ihrer Qualifikation. Der Prozess kann komplex sein, umfasst verschiedene Behörden, Sprach- und Prüfungsanforderungen und dauert oft Monate. Genau hier liegt ein enormes Potenzial für Führungskräfte: Wer den Anerkennungsweg aktiv begleitet, gestaltet gleichzeitig die Kompetenzentwicklung, Integration und Bindung der Mitarbeitenden.
Ein professionell unterstützter Anerkennungsprozess verkürzt nicht nur die Zeit bis zur vollen Berufsausübung, er stärkt auch Motivation, Zufriedenheit und langfristige Loyalität.
Personalentwicklung im Anerkennungsprozess
Führungskräfte können den Anerkennungsprozess gezielt als Instrument der Personalentwicklung nutzen. Dazu gehören:
1. Kompetenzen sichtbar machen
Viele Fachkräfte verfügen über Fähigkeiten, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Ein strukturiertes Gespräch zu Beginn hilft, Stärken zu identifizieren und realistische Entwicklungsziele zu setzen.
2. Qualifizierung intelligent planen
Anpassungslehrgänge, Fachsprachkurse oder Prüfungsvorbereitungen lassen sich ideal in den Arbeitsalltag integrieren. Führungskräfte können Lernzeiten bereitstellen, Ressourcen organisieren und Kooperationen mit Weiterbildungsträgern nutzen. Hierzu können Fördermittel im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes Unterstützung bieten.
3. Orientierung geben
Für viele internationale Mitarbeitende ist der Anerkennungsprozess neu und komplex. Führung bedeutet, Transparenz zu schaffen: Welche Schritte folgen? Welche Unterlagen werden benötigt? Welche Prüfungen stehen an? Orientierung reduziert Unsicherheit und stärkt Vertrauen.
4. Lernen im Team ermöglichen
Die Integration gelingt nicht isoliert, sondern im Team. Lernpartnerschaften, strukturierte Hospitationen oder regelmäßige Feedbackgespräche fördern fachliche und kulturelle Integration. Gleichzeitig entsteht Raum für gegenseitiges Lernen und Teamentwicklung.
5. Perspektiven aufzeigen
Menschen bleiben, wenn sie Entwicklungsmöglichkeiten erkennen. Klar kommunizierte Karrierewege, Weiterbildungsmöglichkeiten und Anerkennung von Lernfortschritten motivieren und binden. Gerade internationale Fachkräfte schätzen Verlässlichkeit und transparente Perspektiven.
Vom Engpass zur Chance für moderne Führung
Die IW-Studie zeigt: Internationale Fachkräfte sind kein Zusatz, sondern ein zentraler Bestandteil einer nachhaltigen Personalstrategie. Ob ihre Potenziale genutzt werden, hängt maßgeblich von Führung und Personalentwicklung ab.
Anerkennung ist nicht nur formaler Schritt, sondern ein Lern- und Vertrauensprozess, der Teams stärkt, Qualifikationen sichtbar macht und langfristige Bindung sichert. Führungskräfte, die dies verstehen, eröffnen Perspektiven – nicht nur für internationale Mitarbeitende, sondern für die gesamte Organisation. Belastung wird reduziert, Vielfalt nutzbar gemacht und Wissen gezielt weiterentwickelt.
Praktische Unterstützung für Einrichtungen
Die mibeg-Institute begleiten seit vielen Jahren internationale Fachkräfte und ihre Arbeitgeber auf dem Weg zur Anerkennung. Unser wöchentliches Online-Informationsseminar „Wege zur Anerkennung“ bietet internationalen Fachkräften kompakt:
Darüber hinaus beraten wir Führungskräfte gerne persönlich, wie internationale Talente erfolgreich integriert und ihre Potenziale nachhaltig entwickelt werden können.
Fazit
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist real – und international ausgerichtete Personalentwicklung ein zentraler Teil der Lösung. Anerkennung internationaler Fachkräfte ist nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern ein strategisches Führungsinstrument: Sie ermöglicht Integration, Sichtbarkeit von Kompetenzen, gezielte Entwicklung und langfristige Bindung. Wer diesen Prozess aktiv gestaltet, stärkt nicht nur einzelne Mitarbeitende, sondern ganze Teams und die Versorgungssicherheit.
Quellen:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2025): Berechnung von Fachkräfteengpässen nach Wirtschaftszweigen, IW-Report Nr. 55.
https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2025/IW-Report_2025-Fachkr%C3%A4fteengp%C3%A4sse-nach-Wirtschaftszweigen.pdf

Cecile Polzin
Cecile Polzin ist Projektleiterin bei den mibeg-Instituten und Expertin für Erwachsenenbildung und Weiterbildung. Mit mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption und Umsetzung von Bildungsangeboten für ausländische Ärzt:innen bringt sie fundiertes Fachwissen und praxisnahe Perspektiven in ihre Arbeit ein.
Heute liegen ihre Schwerpunkte in der Entwicklung neuer Bildungsformate, im Qualitätsmanagement sowie in der Beratung von Anerkennungsverfahren für internationale Fachkräfte.