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Mehr Tempo, weniger Bürokratie: Reform der Anerkennungsverfahren in Gesundheitsberufen

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen spitzt sich zu – und ohne Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland ist die medizinische Versorgung in Deutschland schon heute nicht denkbar. 2024 haben die Landesärztekammern über 5.300 neue Mitglieder ohne deutsche Staatsbürgerschaft aufgenommen. Doch viele dieser Fachkräfte stehen vor einer gewaltigen Hürde: dem oft langwierigen Anerkennungsverfahren ihrer Berufsqualifikationen.

Gesetzliche Reform: Tempo machen ohne Qualitätsverlust

Mit dem neuen Gesetz zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsqualifikationen in Heilberufen will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Verfahren deutlich vereinfachen und straffen – zunächst für Ärzt:innen, Zahnärzt:innen, Apotheker:innen und Hebammen.

Zentraler Baustein ist die direkte Kenntnisprüfung als Regelfall für Qualifikationen aus Drittstaaten. Wer möchte, kann weiterhin eine Gleichwertigkeitsprüfung beantragen, doch die aufwändige Dokumentenprüfung entfällt für die meisten. Ziel: weniger Bürokratie, mehr Klarheit und ein schnellerer Einstieg in den Beruf.

Weitere Elemente:

  • Partielle Berufsausübung: Zugang zu Teilbereichen des Berufs, wenn die Qualifikation nur bestimmte Tätigkeiten abdeckt.
  • Digitalisierung: Elektronische Antragsverfahren, verbesserter Informationsaustausch zwischen Bundesländern, Abfragepflichten zu laufenden Verfahren.
  • Härtefallregelungen: Unbefristete Berufserlaubnis in besonderen Ausnahmefällen.
  • Kosten- und Aufwandsreduktion: Einsparungen in Millionenhöhe für die Länder, Entlastung für Antragstellende.

Bundesärztekammer: Ja zu Tempo – aber mit Sorgfalt

Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt die Stoßrichtung der Reform, mahnt jedoch, dass Patientensicherheit und Qualitätssicherung nicht unter Zeitdruck leiden dürfen. Ihr Positionspapier schlägt sechs konkrete Maßnahmen vor, um Verfahren gleichzeitig schnell, effizient und sorgfältig zu gestalten:

  1. Transparenz & Willkommenskultur: Die Bundesärztekammer schlägt deshalb ein zentrales Informationsportal vor, das alle relevanten Inhalte bündelt: klare Listen zu benötigten Unterlagen, detaillierte Beschreibungen der einzelnen Verfahrensschritte und Hinweise zu möglichen Vorbereitungsmöglichkeiten – von Fachsprachkursen bis zu speziellen Schulungen über das deutsche Gesundheitssystem.
  2. Zentralisierung & Digitalisierung: Statt mehrfacher Dateneinreichung bei verschiedenen Stellen soll das sogenannte Once-Only-Prinzip gelten: Alle erforderlichen Unterlagen werden nur einmal eingereicht und anschließend digital zwischen den zuständigen Behörden ausgetauscht. 
  3. Bessere Verwaltungszusammenarbeit: Der Anerkennungsprozess ließe sich erheblich beschleunigen, wenn Behörden bundesweit auf einheitliche digitale Akten und zentrale Datenbanken zugreifen könnten. So würden Doppelprüfungen entfallen, und wichtige Hinweise – etwa zu nicht bestandenen Prüfungen oder abgelehnten Anträgen – könnten länderübergreifend sofort vorliegen.
  4. Kenntnisprüfung als Regelfall: Künftig soll die Kenntnisprüfung der Standardweg sein, um die fachliche Eignung nachzuweisen. Sie muss einheitlich gestaltet sein und alle wesentlichen Kompetenzen abdecken – fachliche Kenntnisse ebenso wie ärztliche Gesprächsführung.
  5. Option Dokumentenprüfung: Für Fälle, in denen aufgrund der vorgelegten Nachweise eine Gleichwertigkeit der Qualifikation klar erkennbar ist, sollte weiterhin die Möglichkeit bestehen, das Anerkennungsverfahren auf Basis einer Dokumentenprüfung durchzuführen. Diese Option erlaubt Flexibilität, ohne das Ziel der Beschleunigung zu gefährden.
  6. Integration nach der Approbation: Mit der Approbation endet der Integrationsprozess nicht. Sprachförderung – auch über das Fachvokabular hinaus – sowie Fortbildungsangebote zu Besonderheiten des deutschen Gesundheitssystems können den Berufseinstieg erleichtern. Arbeitgeber und öffentliche Stellen sollten dabei unterstützen, etwa durch finanzierte Sprachkurse oder flexible Arbeitszeitmodelle. Eine erfolgreiche Integration steigert nicht nur die Berufszufriedenheit, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass ausländische Ärztinnen und Ärzte langfristig in Deutschland bleiben.

Öffentlichkeit und Praxis: Balance finden

Wie das Ärzteblatt berichtet, ist der politische Wille zur Reform groß – getrieben von der Notwendigkeit, im internationalen Wettbewerb um medizinische Fachkräfte attraktiv zu bleiben. Gleichzeitig bleibt der gesellschaftliche Auftrag, die hohen Standards der Patientenversorgung zu sichern.

Denn: Ein zu schnelles, unzureichend geprüftes Verfahren birgt Risiken für Patientinnen und Patienten. Umgekehrt kann ein überbürokratisierter Prozess hochqualifizierte Ärztinnen und Ärzte davon abhalten, nach Deutschland zu kommen.

Fazit: Reform als Chance

Das Zusammenspiel aus gesetzlicher Beschleunigung (BMG) und praxisnahen Qualitätssicherungsmaßnahmen (BÄK) kann die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zu einem Vorzeigeprozess machen: transparent, digital, effizient – und vertrauenswürdig.

Gelingt dies, profitieren nicht nur die internationalen Ärztinnen und Ärzte und die Gesundheitsverwaltungen, sondern vor allem die Patientinnen und Patienten in Deutschland.

 

Quellen:

- Positionspaper der Bundesärztekammer: Beschleunigung, Effizienz und Sorgfalt - Anerkennungsverfahren für in Drittstaaten erworbene Abschlüsse von Ärztinnen und Ärzten.
https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Politik/Programme-Positionen/Positionspapier_Anerkennungsverfahren_Stand_10.07.2025.pdf

- Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit: Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsqualifikationen in Heilberufen.
//www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/H/RefE_Beschleunigung_Berufsanerkennung_Heilberufe.pdf

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Cecile Polzin

Cecile Polzin ist Projektleiterin bei den mibeg-Instituten und Expertin für Erwachsenenbildung und Weiterbildung. Mit mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption und Umsetzung von Bildungsangeboten für ausländische Ärzt:innen bringt sie fundiertes Fachwissen und praxisnahe Perspektiven in ihre Arbeit ein. 

Heute liegen ihre Schwerpunkte in der Entwicklung neuer Bildungsformate, im Qualitätsmanagement sowie in der Beratung von Anerkennungsverfahren für internationale Fachkräfte.